Elf Jahre nach seinem ersten Leinwandauftritt und 13 Jahre nach dem Ende der nach ihm benannten Serie meldet sich „Papa“ Stromberg im Kino zurück. Ein Grund zur Freude?
„Klassentreffen“ vor laufenden Kameras
Von der Karriere im politischen Berlin, die Bernd Stromberg (Christoph Maria Herbst) am Ende der Kinokomödie „Stromberg - Der Film“ (2014) anvisierte, ist im Nachfolger keine Rede mehr. Ob der frühere Abteilungsleiter der fiktiven CAPITOL-Versicherung nach dem öffentlichkeitswirksamen Aufstand gegen seinen Ex-Arbeitgeber bei der SPD wirklich wichtige Hebel betätigen durfte, erfahren wir nicht. Was „Stromberg - Wieder alles wie immer“ dagegen verrät: Inzwischen arbeitet der Titelantiheld in einem Multi-Purpose-Unternehmern, in dem er nach eigener Aussage natürlich abermals eine Leitungsfunktion innehat.
Als nach oben buckelnden, nach unten tretenden, um keinen diskriminierenden Spruch verlegenen Bürochef aus der Hölle lernte das Publikum den Mann mit der Halbglatze und dem Klobrillenbart in der von 2004 bis 2012 auf ProSieben ausgestrahlten Mockumentary „Stromberg“ kennen. Die Adaption (als solche anfangs nicht markiert) der britischen Serie „The Office“ stellte keinen Sympathieträger ins Zentrum, sondern einen Schmalspurmacho mit Hang zu rassistischen Beleidigungen und abenteuerlichen „Lebensweisheiten“ sowie großem Fremdschampotenzial. Eine abgründige Figur, wie man sie im deutschen Fernsehen mit der Lupe suchen musste. Auf dem schmalen Grat zwischen Verherrlichung und Vorführung dieses eigentlich armen Würstchens tänzelnd, bildete die von Ralf Husmann konzipierte und von Arne Feldhusen federführend inszenierte Serie die Realität recht treffend ab. Vielleicht nicht in jedem, aber doch in vielen Großraumbüros gab und gibt es Typen wie Bernd Stromberg.
Seit dem ersten und bislang einzigen Kinofilm ist nun über ein Jahrzehnt vergangen, in dem sich politisch und gesellschaftlich einiges verändert hat. Mittlerweile schauen wir kritischer und genauer auf zahlreiche einst tolerierte Auswüchse, sind um mehr Gleichberechtigung, mehr Vielfalt bemüht. Alles Dinge, die der Büroautokrat Stromberg zum Kotzen finden dürfte. Oder hat auch bei ihm ein Wandel stattgefunden? Er selbst bejaht diese Frage („Ein Upgrade als Chef… und auch, äh, als Mensch“), wenn er im Nachfolger nach rund zehn Minuten erstmals die Bühne betritt. Aber kann man dem Braten trauen, wenn der Untertitel „Wieder alles wie immer“ lautet?
Der erneut hauptverantwortlich für das Drehbuch zeichnende Husmann nimmt die omnipräsente Diskussion „Was darf und kann man sich heutzutage, nicht nur humortechnisch, noch erlauben?“ als erzählerische Leitplanke und baut auf das schon vorhandene Metakonzept der Serie und des Vorgängers (stets verfolgte ein Doku-Team den Alltag von Bernd Stromberg und Co) noch eine weitere Ebene drauf.
In „Stromberg - Wieder alles wie immer“ laufen in einem Fernsehstudio die Vorbereitungen für ein großes Wiedersehen der Protagonisten aus der fiktiven Dokumentation. Dabei entrüstet sich die junge Produktionsmitarbeiterin Luna (Sophia Burtscher), die alte „Weisheiten“ und Szenen als Einspieler für die Reunion-Show auswählen soll, über Strombergs Chauvinismus. Reflektierte Stimmen wie ihre werden regelmäßig laut. Stromberg selbst gibt sich geläutert, haut im nächsten Moment aber wieder eine bösen Witz auf Kosten anderer raus. Das ist das Grundmuster des zweiten Kinoabenteuers. Einige der fiesen Pointen und Wortspiele gelingen Husmann gut. Das Feuerwerk der Sprüche fällt dieses Mal allerdings etwas kleiner aus.
Emotionale Achterbahnfahrt
Als es vor dem Studiogebäude zu einem Handgemenge zwischen Stromberg-Fans und ablehnenden Demonstranten kommt, wird die anvisierte Show kurzerhand um zwei Tage verschoben. Verglichen mit dem örtlich konzentrierten ersten Film (Hauptschauplatz: ein Landhotel, in dem die 50-jährige CAPITOL-Firmenfeier stattfindet) wechselt „Stromberg - Wieder alles wie immer“ häufiger das Setting und scheucht die Figuren, verfolgt von den nach wie vor an ihnen klebenden Doku-Filmern, öfters durch die Gegend.
Die Weiterentwicklung der an der Reunion teilnehmenden Charaktere gelingt leider nur bedingt. Strombergs Ex Jennifer Schirrmann (Milena Dreissig) hat die Versicherungsbranche längst hinter sich gelassen und schleppt ihren neuen Partner Julian (László Branko Breiding), einen clickbesessenen Influencer, mit zum Treffen. Was hier vor allem nervt: Wie einfach es sich der Film bei der Darstellung des Aufmerksamkeitsjunkies macht.
Eine gute Parodie oder Persiflage auf die sich in der Social-Media-Welt tummelnden Personen sieht sicher anders aus! Unverständlich auch, warum die früher doch nach Romantik Ausschau haltende Jennifer Julian, einen mindestens ebenso großen Egomanen wie Stromberg, überhaupt an ihrer Seite haben möchte. Das Ehepaar Tanja (Diana Staehly) und Ulf Steinke (Oliver Wnuk) arbeitet derweil weiterhin für die CAPITOL. Während sie jedoch auf der Karriereleiter nach oben klettern konnte, steht er noch immer am selben Fleck. Ihre Beziehung und ihr Familienleben mit Pflegesohn Marvin sind erneut im Fokus. Eine damit verbundene Offenbarung kündigt sich allerdings mit Pauken und Trompeten an. Überraschung? Fehlanzeige!
Den persönlich wohl größten Sprung hat Berthold „Ernie“ Heisterkamp (Bjarne Mädel) gemacht. Früher Prügelknabe und stets verspottet, ist er nun, elf Jahre nach den Ereignissen des Leinwandvorgängers, Buchautor und Life-Coach. Sein Schwerpunkt: Wie man nach Mobbingerfahrungen aus der Opferrolle herauskommt. Weil er seine innere Mitte inzwischen gefunden hat, perlen alle frischen Lästerattacken Strombergs an ihm wie an einer Teflonpfanne ab. Auch dass ihm die anderen nach wie vor wenig Gehör schenken, bringt ihn kein bisschen aus der Ruhe.
Der Knackpunkt des Films ist eine Wendung ungefähr zur Hälfte. An dieser Stelle spitzt sich die Damals-/Heute-Diskussion noch einmal zu. Was dabei deutlich werden soll: Der Wind hat sich keineswegs komplett gedreht, alte Muster sind nicht verschwunden, werden manchmal bloß durch Heuchelei übertüncht. Ein radikaler Kurs deutet sich für den emotional aufgewühlten Stromberg an. Diesen ziehen die Macher dann aber nur halbherzig durch. Schwierig wird es auch in puncto Plausibilität.
Dass die Doku-Crew dem Protagonisten weiterhin folgt, kann man vielleicht noch mit einer gewissen Sensationsgier erklären. Aus seinen Handlungen erwachsen unverständlicherweise aber keinerlei Konsequenzen, als es zum großen, eine letzte Volte nehmenden Finale kommt. Mit den abschließenden Bildern möchte „Stromberg - Wieder alles wie immer“ offenbar auf die in der Gesellschaft bereits massiv spürbare Rückbesinnung auf eine vermeintlich „gute, alte Zeit“ anspielen. Eine Zeit, die von Männern wie Donald Trump verkörpert wird. Männern, die lustvoll ihre Macht auskosten und sich nicht um die Sprengkraft ihrer oft drastischen, spaltenden Worte scheren. Was die Einbindung der gesellschaftlichen Entwicklungen betrifft, nimmt sich der Film einiges vor. Ein rundes Bild ergibt sich allerdings nicht.
Fazit
Strombergs zweiter Kinoauftritt ist ambitioniert, schlägt einige neue Richtungen ein, wirkt in sich aber weniger schlüssig als der pointenreichere Vorgänger aus dem Jahr 2014.
Autor: Christopher Diekhaus

